
Impressionen aus dem Kreisarchiv. © Kreisarchiv Herzogtum Lauenburg.
WORAUF BEGRÜNDET SICH DAS JUBILÄUM?
Im Jahr 1925, um genau zu sein, am 23. März 1925 beschloss der Kreisausschuss des Kreis- und Landeskommunalverbandes Herzogtum Lauenburg, Dr. Hans Ferdinand Gerhard als ersten Archivar des Kreises mit der Amtsbezeichnung „Lauenburgischer Landesarchivar“ einzustellen. Gerhard war ein äußerst engagierter Zeitgenosse, den es neben anderen lauenburgischen Archivarinnen und Archivaren genauer zu betrachten lohnt.
Aber was macht ein Archiv ferner aus? Zweifellos sind es Personen, die dem Archiv ein Gesicht geben, doch auch mit den Räumlichkeiten verbinden Bürgerinnen und Bürger „ihr Archiv“. Die erste Heimat des Kreisarchivs war das „Landeshaus“, später „Altes Kreishaus“ genannt. Dieses Gebäude war zu Beginn des 18. Jahrhunderts als Verwaltungssitz neben der Hauptwache am Markt als Kanzleigebäude errichtet worden. 1922 wurde es nach Umbaumaßnahmen als „Landeshaus“ feierlich eingeweiht, auch Magazine und Büroräume für ein Archiv hergerichtet. Vorübergehend bezog das Archiv von 1955 bis 1982 Räume im Herrenhaus auf der Ratzeburger Dominsel (heute Kreismuseum Herzogtum Lauenburg).
Oder sind es doch die rund 1.600 laufenden Meter Archivalien der vergangenen Jahrhunderte, beeindruckende Urkunden mit vielen Siegeln, riesige Karten, dicke Folianten, welche die vielfältige und abwechslungsreiche Geschichte des Kreises Herzogtum Lauenburg und seiner Vorgänger erzählen, und damit die Identität unseres Kreisarchivs stiften? Im Kreisarchiv unseres Herzogtums finden sich z.B. rund 220 Urkunden der Ritter- und Landschaft sowie von Gutsarchiven unserer Region teils beginnend schon im 14. Jahrhundert, die Verkopplungsakten (eine Vorform der Flurbereinigung) fast aller Amtsdörfer oder der einmalige Aktenbestand der Ewigen Union der Ritter- und Landschaft, eine Union, die sich am 15. Dezember 1585 gründete und rund 300 Jahre bis zum Ende der politischen Selbständigkeit 1876 das Herzogtum politisch stark beeinflusste.
Natürlich gehört alles zusammen: Es sind die Menschen, die Gebäude und unser bedeutsames Archivgut, sie alle zusammen erzählen die Geschichte unseres Archivs. Aus diesem Grund wollen wir uns der einmaligen Historie des Kreisarchivs aus verschiedenen Perspektiven nähern. In unserem Jubiläumsjahr möchten wir monatlich ein besonderes Archivale mit einem Bezug zur Geschichte unseres Kreisarchivs vorstellen. So hoffen wir, die Besucherinnen und Besucher unserer Homepage neugierig auf unser Kreisarchiv zu machen! Und wir möchten Sie einladen, dieses Jubiläum mit uns zu feiern: Am 14. Juni 2025 wollen wir einen Tag der offenen Tür begehen!
ARCHIVALIE DES MONATS!
Monat April 2025
Monat Mai 2025
Monat Juni 2025:
Urkunde Gutsarchiv Niendorf vom 10. August 1377
Signatur: KrA RZ Urk.-Abt. 306 Gutsarchiv Kastorf Nr. 1
Unsere Archivalie des Monats Juni 2025 ist die älteste der im Kreisarchiv Herzogtum Lauenburg verwahrten Urkunden, sie ist von 1377 und damit fast 650 Jahre alt! Es ist die Beurkundung des Verkaufs von Kastorf durch die Adelsfamilie von Crummesse an einen Lübecker Bürger: Eghardus de Crumesse miles und Hennekinus de Crumesse armiger, Brüder, verkaufen dem Lübecker Bürger Arnold Starke für 240 Mark lübsch das Dorf Kerstorp (Kastorf) und behalten sich für zwanzig Jahre das Wiederverkaufrechts vor.

Urkunde 1377. © Kreisarchiv Herzogtum Lauenburg.
Die Gemeinde Kastorf (früher Kerstentorp, Castorp, später Castorf und ähnlich) liegt im Norden des Herzogtums Lauenburg an der B 208 zwischen Ratzeburg und Bad Oldesloe. Kastorf, vermutlich um 1250 von den Rittern von Crummesse gegründet, wurde 1286 erstmals mit der Zulegung des Dorfes zur Pfarre Siebenbäumen durch Konrad, Bischof von Ratzeburg, erwähnt. Die kirchliche Zugehörigkeit blieb bis heute unverändert, Gutsherrschaft und Landesherrschaft haben dagegen wiederholt gewechselt. Kastorf war ein Allodialgut, d.h. es gehörte ohne Einschränkung den Eigentümern. Die lauenburgischen Güter waren übrigens zugleich Polizei- und Gerichtsbehörden für ihre Gutsuntertanen, weshalb auch die Bezeichnung „adlige Gerichte“ üblich war.

Regest:
Eghardus de Crumesse miles und Hennekinus de Crumesse armiger, Brüder, verkaufen dem Lübecker Bürger Arnold Starke für 240 Mark Lübsch das Dorf Kerstorp im Kirchspiel tho den Zovenbomen und behalten sich für 20 Jahre das Wiederkaufsrecht vor. Zeugen: Dethlevus u. Hinricus, Gebrüder, dicti de Gronowe, Vicko de Crumesse u. Hinricus de Crumesse, filius Hinrici de Klempowe, Famuli. Hartwicus Split scolasticus Hamburg. Thomas Mokerken, consul Lub., Everhard Warendorp, Ludekinus de Molne, Hinricus Luchow. A.D.MCCCLXXVII in die beati Laurenciti Martiris gloriosi
Original Pergament
Ursprünglich befand Kastorf sich im Besitz der Adelsfamilie v. Crummesse, welche lange zu den begütertsten Familien des Landes gehörte. 1377 musste sie ihr Gut an Arnold Starke für 240 Lübsche Mark verpfänden, das Rückkaufsrecht wurde für 20 Jahre festgeschrieben.

Im Laufe der Jahrhunderte wechselten die Besitzer des Gutes häufig, am längsten besaß es wohl mit 1 ½ Jahrhunderten die Familie von Wickede, eine Lübecker Patrizierfamilie.
In der Literatur wurde häufig nur die in Lübeck befindliche Ausfertigung erwähnt, enthaltend die Bestätigung des Vertrages durch Herzog Erich III. von Lauenburg.
Auszug aus: Urkundenbuch der Stadt Lübeck 4. Teil, Lübeck 1873
Der Kauf von Kastorf durch Lübecker Bürger ist nur ein Bespiel von vielen des Grunderwerbs im Herzogtum durch Lübecker in diesem Zeitraum. Den Vorgang des Landkaufs durch Lübeckische Bürger hat Albert Düker in die politische Situation der Zeit eingeordnet (Lauenburgische Heimat 1933 ff.). Nachdem die Stadt Mölln und die dazugehörige Vogtei schon 1359 aus wirtschaftlichen Gründen an die Stadt Lübeck verpfändet worden waren, gab der lübeckische Rat weitere Anstöße für Privatleute für den Erwerb in und nahe der Vogtei Mölln. Der rein wirtschaftliche Vorgang der bürgerlichen Kapitalanlage in Grund und Boden wurde hier bewusst in eine politische Aktion umgewandelt, die wirtschaftliche Bindung wurde durch Lübeck als ein hervorragendes Mittel der politischen Bindung genutzt.


Dem Umstand der neuen Besitzverhältnisse ist auch die Bezeichnung der Gruppe von Gütern, zu denen neben Kastorf Groß Schenkenberg, Bliestorf, Grinau und Rondeshagen gehörten, als „Lübische Güter“ geschuldet.
Während Schenkenberg sich 1568 freiwillig von Lübeck lossagte und dem Herzog von Lauenburg unterstellte, wurden die übrigen Güter erst 1747 in Folge eines zwischen Kurhannover und Lübeck geschlossenen Vergleichs an Lauenburg zurückgegeben.
Infolge der Verzeichnungsarbeiten zu den Unterlagen des Gutsarchivs Kastorf im Kreisarchiv im Jahr 2018 übertrug Peter Jürs 11 Urkunden der Gutsurkunden von Niendorf an der Stecknitz zuständigkeitshalber zum Gutsarchiv Kastorf. Sie waren, so vermutete Jürs, wohl unter dem Gutsbesitzer Metzener, der Kastorf ab 1823 einige Jahre besessen hatte, nach Niendorf an der Stecknitz gekommen und sind dort später vermutlich geblieben. Die Unterlagen dieses und anderer Gutsarchive gelangten Anfang der 1930er Jahre in das Kreisarchiv, damals unter der Leitung von Siegfried Schellbach, und somit fand auch diese besondere Urkunde glücklicherweise den Weg in das Kreisarchiv Herzogtum Lauenburg!
Quellen:
Kreisarchiv Herzogtum Lauenburg: Findbuch des Bestandes „Gutsarchiv Kastorf 1377-1928“, bearbeitet von Peter Jürs, Ratzeburg 2018; Manecke, U.S.C.: Topographisch-historische Beschreibung der Städte, Ämter und adeligen Gerichte des Herzogtums Lauenburg, des Fürstentums Ratzeburg und des Landes Hadeln, in: Beiträge zur Geschichte, Landes- und Volkskunde von Niedersachsen und Bremen, Band 45, Hannover-Döhren 1975; Düring, Jochen: Kastorfer Chronik 1286-1986, Kastorf, Sierksrade 1986; http://www.kastorfer-geschichte.de/